Das Gute an der Öffnung von Geschäften und Cafés ist: Meine Scheißhaus-Infrastruktur steht wieder halbwegs. (RDS) Das Schlechte: Die Menschen sind los. Aber erzähl mal was Neues.
Gerade reden alle von ihrer Freiheit. Freiheit hier, Freiheit da; abgesehen von Liebe gibt es kaum ein Wort, das so schnell und inflationär bei der Hand ist wie Freiheit. Für die ist das viel zu teure Hemden kaufen, scheiß Urlaub buchen und zum Abschluss noch lecker Kartoffelecken mit Sourcream für 8,50 Euro im Spacko Sao Salitos snacken. Dabei ist das so, als würdest du sagen: „Ich genieße die Unabhängigkeit total, die mir der ÖPNV bietet.“ Zu tausenden irgendwo rumstehen, während ich kein Geld verdienen darf, ist keine Freiheit, das ist ein egoistischer Haufen Scheiße. Ich hab nichts gegen Scheiße, Menschen sind wie sie sind, aber dann verkauf mir deinen Bockmist da nicht als Drang nach Freiheit, sondern als das, was es ist: behinderte Scheiße.
Theoretisch war ich schon lange nicht mehr so frei wie dieser Tage. Ich könnte mich ins Auto setzen und überall hinfahren. Benzin war lange nicht mehr so billig und kein Geld verdienen lässt sich grad überall. Das Ding ist nur, dass man in diesem Land bleiben muss. In einem Land, in dem die Menschen … Lassen wir das. Bringt ja nichts. Kann ich mich genauso gut in den Regen stellen und den scheiß Himmel anschreien, dass ich Sonne will.
Quarantäne ist nicht mehr so eng. Ich treffe Menschen. Bewusst. Einfach so. Menschen, die sich nicht zu tausenden … Egal, ich treffe Menschen, das ist gut. Aber die letzten Wochen (Monate!) haben Spuren hinterlassen. Hände schütteln ist nicht mehr, Umarmungen auch nicht, könnte ja Das Virus haben, das Gegenüber. Ich will das nicht, kollektiver Generalverdacht, aber er ist da. So war das also damals.
Ungefähr.
Was dagegen tun weiß ich noch nicht, Zeit, immer drauf da mit der Zeit, ich hoffe das hilft. Und bis dahin nicht mit Flaschen nach Leuten schmeißen, die mir zu nahe kommen, auch wichtig.
Gestern wen gesehen, der die Maske unter der Nase hängen hatte. Was für ein Kackvogel.
Theoretisch ist doch die Isolation jetzt beendet, oder? Die Menschen gehen raus, reiben sich aneinander in Innenstädten, in Pflegeheimen, in Fitnessstudios. Und ich bin zuversichtlich, dass es für mich gut ausgehen wird. Wenn Das Virus wiederkommt, wird es einen Großteil aller mitziehen – hinein in die Tiefen des letzten großen Abenteuers –, wenn es aber weg ist, verschwunden, ausgelöscht, dann is endlich wieder Ruhe hier in mein Hinterhof. So oder so: ich gewinne.
Mit der Langeweile ist das wie mit dem Geld. Entweder du hast, oder du hast nicht. Das Kapital bleibt beim Kapital, die Rastlosigkeit bei der Rastlosigkeit. Oder wie Greg House einst sagte: „Immer in Bewegung bleiben, dann denkt das Volk, es geht voran.“ Welche Richtung dieses Voran nimmt, keine Ahnung. Das ist mehr so ein im Trüben fischen. Ich mag diese Phase. Hier ist einfach alles möglich. Bis aus der Idee ein erster Satz wird. Und das was dann passiert, was dann aus mir heraus kommt, ich hab keine Ahnung wo das her ist. Vita, klar, Typ auch, ich weiß, aber dass da ganze Geschichten, ganze Menschen aus meinem Kopf kommen, das ist mir heute noch unbegreiflich. Und ich halte das für ein Privileg, so wie ich Kapital für ein Privileg halte. Und müsste ich mich entscheiden, ich würde das mit den Geschichten nehmen, ich kann das beurteilen, ich hab schon lange ohne beides leben müssen.
Diese Zeit gerade ist bisschen wie die nach der letzten Veröffentlichung und vor dem nächsten Buch. Alles geht, nichts muss, und ob das jemals wieder wird, das weiß niemand, Kaffeesatz lesen hilft. Verrückt.
Exkurs: Zu Hause Sport machen ist nicht dasselbe wie in der Muckibude schwitzen. Da kann dich der YouTube Typ noch so anbrüllen, der ist halt nur aus Pixeln zusammengetetrist. Ins Studio fahren, umziehen, Warm-up, Eisen … Das ist ne ganz andere Kiste. Hanteln kannst du ziehen. Kannst du drücken. Kannst du anbrüllen. Wenn du bei dir Zuhause an den Punkt kommst, an dem du keine Liegestütze mehr schaffst, dann brüllst du dich selber an. Dann sind wir wieder da, wo wir angefangen haben. Trotzdem geh ich nicht ins Studio. Noch nicht. Zu lange haben zu viele Menschen auf mich eingeredet, dass wir alle sterben, wenn wir das Haus verlassen. Und jetzt soll ich nicht nur wieder vor die Tür, nein, ich soll mich an den Menschen reiben? In Innenstädten, in Pflegeheimen, in Fitnessstudios? Fickt euch!
Eine Übergangsphase wär gut. So ne Zwischenkammer wie Dustin Hoffmann und Rene Russo sie in Outbreak hatten. Dieser Raum zwischen kontaminiert und nicht kontaminiert. Sowas, nur als gesamtgesellschaftliches Konzept. Da wär ich jetzt gern. Und der Rest, der steht im Kontaminationsbereich an der Hantelbank an, weil wochenlang kein Brust Bizeps, da muss man halt Prioritäten setzen. Ihr seid Alpha.
Der Tag heute war einfach so um. Zack, vorbei, abgelebt. Wieder einen Schritt näher am Nichts. Normalität as fuck. Hoffentlich wird’s im Licht ereignisreicher.
Man stelle sich vor, hinter der letzten Tür ginge es genauso weiter wie davor. Jeder einen Job (oder eine Aufgabe), jeder ein Teil des Großen ganzen. Jeder mit Urlaubsplänen, Pauschal gebucht, klar, Reiserücktrittsversicherung. Jeder ein Unternehmer, ein Fitnesstrainer, Designer, Schriftsteller auch, sowieso, und Künstler. Überall Künstler. Das’ auf dieser Seite schon kaum auszuhalten. Wenn es drüben Wecker gibt – oder irgendwas in Richtung Termine –, dann will ich da nicht sein. So ein Leben, vollgepackt mit Handys, die dich an Dinge erinnern, das reicht, mehr ist nicht immer mehr, less is auch mal ganz cool, und das ausgerechnet aus meinem Kopf. Seit Wochen habe ich das Gefühl, ich müsse ganz dringend noch was tun. Dinge. Welche? Keine Ahnung, Dinge, wichtige Dinge auf jeden Fall. So wichtig, dass mein Körper mich nicht mit ruhigem Puls in der Horizontalen lässt. Aber das hört jetzt auf. (Tippt er liegend in sein Handy.)
Gelernt habe ich in den letzten Wochen, dass ich, wenn ich einfach laufen lasse, einen Hang zu langen Sätzen habe. Zu langen Sätzen und Fäkalsprache. Fluchen ist gut für mein Seelenheil. Es bewahrt mich davor, das, was ich schreibe, nicht zu sagen, nicht zu tun. Denn auch wenn jeder weiß: „Immer schön die Wahrheit sagen“, alles Lüge. Warum bringen wir unseren Kindern bei, dass die Wahrheit etwas Gutes ist? Wie kann man sich als Elternteil hinstellen, auf die Wahrheit beharren und dann bei der erstbesten Gelegenheit gegen seine eigenen Erwartungen verstoßen? „Wie schmeckt dir mein Braten?“ „Sehr gut. Danke.“ LÜGE! Denn er weiß natürlich sehr wohl, dass wenn er sagt, wie furztrocken dieser scheiß Schweinearsch ist, er sich die Dinger ab morgen selber in den Ofen schieben kann. Darum lügt er. Schutzmechanismus, nicht nur um seiner selbst Willen, sondern auch für den Hausfrieden. Und ja, dieser Vergleich trieft vor Patriarchat, und gegendert wird hier auch nirgends, verhafte mich doch.
Fotze.
Ob es auf der anderen Seite auch diese Art Diskussion gibt? Oder sind die obsolet, weil da sowieso nur die Guten landen? Die, die jeden Satz durch* oder durch_? Wenn das so ist, dann will ich da nicht sein. Ich will hier sein. Hier sein und Lügen und die Wahrheit sagen und mit beidem jonglieren, solange, bis mir alles aus der Hand fällt, auf den Boden knallt und irgendwer es wegfegt. Ein Müllmann. Müllfrau hab ich noch keine gesehen.
Einfach so um dieser Tag …
Es gibt Dinge, über die ärgere ich mich, so, wie ich jeden Tag dieselben Wege laufe. Social-Med … Facebook als Äquivalent zur x-ten Wiederholung des A-Teams. „Du hast geklaut“, „Er hat gelogen“, „Sie ist Antisemit“, dies das; wenn sich ein jeder bei nur jedem dritten Anlauf seinen Zeigefinger lieber tief in den Arsch schieben würde, anstatt damit auf andere zu zeigen, wäre die Welt um einen Faktor besser, so scheiße kann keine Pandemie sein. Manchmal ist das wie auf einer Party, die an sich ziemlich geil ist, aber bei der diese Handvoll Spackos für so viel Unruhe sorgt, dass dir schnell mal die Hand ausrutscht. Nur, dass es keine digitale Version der Archie-Rückhand gibt. Leider. Oder wie Stefan einst schrieb: „Alte Geschichten, neuer Glanz. Nasse Küsse, so begann’s. Feuerwasser, die falschen Worte, Schlägerei, Blaulicht-Eskorte“
Herz-Modus: schwierig. Für Optimismus braucht es Aussichten. Nicht unbedingt positive, aber doch grundlegend. Nur so wie Hennig May „Die Drei ???“ liest, ist da nicht viel. Der klingt, als würde Udo Lindenberg Eierlikör gurgelnd Jamie Olivers Kochbuch für vegetarische Glutenalleriker vorlesen. Dann doch lieber Lisa Eckhard Hasskommentare.
Meine Seele hat abgenommen. Von 23 auf elf Gramm. Und selbst die würde ich aus dem Stand gegen Karate Andys Ketamin eintauschen. Warum eigentlich nicht? Die beste Zeit ist die, wenn du scheiteltief im Rausch steckst oder kein Geld mehr für was zu Essen hast, und meistens passiert beides gleichzeitig oder zumindest versetzt. Apropos Rausch. Mein neues Büro hat keinen Kühlschrank. Was nur bedeutet, dass ab jetzt wieder pisswarmes Dosenbier gibt. Schlimmer ist die Tatsache, dass es keine Küche hat. Dafür aber ein größtmögliches Abhandensein von Gemeinschaftsgarten und Mensch. Und es gibt einen Aschenbecher. Quid pro beschissenes quo. Das Leben ist gut, Gott hasst nur die anderen, selbst wenn ich mit meinem Finger in deiner Schwester stecke.
Ein alter Schulfreund postete gestern Nachmittag ein Foto der Düsseldorfer Altstadt. Kurz dachte ich das wär alt. Letzter Herbst, oder so. Dann las ich: „Bolkerstraße. Jetzt.“ Und sofort war da ein Gefühl, irgendwo zwischen Mr. Mercedes und Benzinkanister über den Kopf und Zippo an die Füße, WUSCH!, Heat At The Moment.
Was sagt mir das? Im Grunde nichts neues, nur eben, dass die allgemeine Aufmerksamkeitsspanne nicht weiter reicht als eine scheiß Fussball-WM. Und die Frage, die aufkeimt, ist die: Ist die WM tatsächlich so konzipiert, dass sie die längstmögliche Aufmerksamkeit kriegen kann? Wurde da vorher hochwissenschaftlich analysiert und entsprechend der Ergebnisse eine Großveranstaltung gelayoutet? Und wenn ja würde mich das wundern? Wahrscheinlich nur in so fern, als dass Menschen dann wohl doch willens sein könnten, wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen. Blöd nur, dass sich mit Dem Virus keine Trikots verkaufen lassen. Obwohl …
Der sichtbare Unterschied Was sie sagen was richtig ist X Was sie tun hat inzwischen das Niveau Harald Glööckler X Ästhetik. Das hat zur Folge, dass ich mich frage, ob das mit diesen Einschnitten überhaupt alles so seine Richtigkeit haben kann. Schließlich hält sich kaum noch jemand dran, und wenn nicht grad 33–45 ist, hat die Mehrheit nicht grundsätzlich Unrecht. (Ist das so?) Oder ist das vielleicht so, dass die Lauten diesmal nur die Sichtbaren sind?
Viele Fragen, wenig Antworten, starke Kopfschmerzen und über all dem der innere Kampf zwischen: „Lass sie bitte alle sterben“ und „Hoffentlich behalten sie Recht, weil theoretisch sagt die Wissenschaft ja auch, dass ein Otto-Motor im Stillstand kein Benzin verbraucht, was ein sehr schöner Grundgedanke, am Ende aber völliger Bullshit ist.“ Alles ist ein Strudel, trichterförmig, und ich nicht in der Mitte, sondern weit außen, in einem Tempo strudelnd, dass ich nur noch kotzen kann, kotzen, mit einer Intensität, dass es mir von vorne schon wieder ins Gesicht klatscht, obwohl ich noch lange nicht fertig bin mit kotzen, während ich für mich beschließe, ab heute alle Wege nur noch mit dem Auto zu machen. Ihr Hurensöhne.
PS. Wie bitte gendert man Hurensohn?
Heute gelernt, was es auch bedeuten kann, Verantwortung für andere zu haben. Du musst nämlich nicht nur darauf achten, wie du es findest, wie andere mit Dem Virus umgehen, sondern du musst auch noch mit einbeziehen, wie dein nahes Umfeld es findet, wie dein weiteres Umfeld mit Dem Virus umgeht, weil du am Ende der blöde Wichser sein kannst, der etwaiges von A nach C schleppt. Das Ding ist nur, wie bitte soll man bei so einem Verkettungsgewitter noch an irgendetwas denken können, das NICHT mit … Ihr wisst schon … zu tun hat? Ey … Wie mir das auf den Sack geht. Am besten bleibst du wirklich Zuhause, tagelang, wochenlang, monatelang, so lange, bis ne Impfung gibt.
Das Ding ist nur, dass wenn ich das so mache, die Waage meiner physischen und psychischen Gesundheit so weit in die eine Richtung kippt, dass die andere zwangsläufig hart darunter leidet. Oder für die ganz Dummen unter euch: Je länger ich alleine zu Hause rumhocke, desto schwerer und schwärzer wird meine Seele. Das kann die im Normalfall schon ganz gut, schwer und schwarz, und jetzt gerade wird es nicht eben besser. Und wenn in dir, liebe*r Leser*in, gerade eine Stimme keimt, irgendwo in Richtung: „Muss man sich halt mal zusammenreißen“, kleiner Tipp: Halt die Fresse, setz dich, hier, sauf, Bremsflüssigkeit. Ich hab noch keine Lösung für dieses Problem, nicht mal ansatzweise, trinken hilft, aber das ist ja auch kein Dauerzustand. (Sagt der Trinker.)
Süchtige haben übrigens ein ähnliches Problem wie Verrückte. In Kommunikation mit der Außenwelt ziehst du immer den Kürzeren. Wenn du dich als Trinker hinstellst und sagt: „Ich bin nicht süchtig“, heißt das gleich: „Sagen alle Süchtigen.“ Aber stellst du dich hin und sagt: „Okay, ich bin süchtig“, ist die Antwort: „Siehste, sag ich doch. Endlich siehst du das ein, jetzt können wir daran arbeiten, dich wieder zurückzuholen.“ Und ich denk dann immer a: zurück wohin? Und b: Was muss ich hier eigentlich sagen, um eine Antwort zu bekommen, die mich nicht aussehen lässt wie den scheiß Ölberg Ömes?
Gestern marschierte der schwarze Block durch mein Viertel. Lautstark, mit Raketen und Bengalos und Wut und Parolen, bei denen ich dachte: „Dicka, das Viertel hier ist eindeutig das Falsche für diese Art Message. Schnapp dir deine scheiß Raketen, deine scheiß Bengalos und deine behinderte Kackwut und verpiss dich … keine Ahnung, in ein Viertel mit Villen, mit BMWs, mit Geld halt, irgendwohin, wo das, was du sagst, besser aufgehoben ist, als in nem Block voller finanziell armer Migranten und Künstler und Langzeitarbeitsloser. Und hör verdammt nochmal auf, deine scheiß Bengalos unter deren Autos zu schmeißen, Dicka was soll das? Ja, ich versteh was du mir sagen willst, aber ich geh ja auch nicht auf ein AC/DC Konzert nach Düsseldorf, um für mehr Ruhe auf dem Ölberg zu demonstrieren!
Und schon wieder ein um Längen eleganterer Vergleich als die Comedytante, und niemand hat’s gelesen.
Gerade wurde ich Zeuge, wie sich zwei Menschen küssten. Heteromäßig. Mann, Frau, Lippen, Zunge, sowas. Schön für euch, weiter so, es lebe das 21. Jahrhundert. Denkste. Die Leute drumherum – es waren sehr viele Leute –, mit ihrem vor den Mund gelegten Mundschutz – die Nase immer frei, frag nicht, ich hab keine Ahnung – dagegen fanden das jetzt nicht so prall. Und nachdem sie sich in Gruppen zusammengerottet und sich ausreichend über die Ansteckungsgefahr von sich küssenden Menschen ausgetauscht hatten, warfen Sie mit Blicken nach den beiden, dass mir kurz war, als wäre ich irgendwie zurück in die goldenen 20er des letzten Jahrhunderts gefallen. Und dann dachte ich: Ihr hattet jetzt schon so viele Möglichkeiten – Kriege und Epidemien und Hungersnöte und Kreuzzüge – zu lernen, wie man kein Arschloch ist. Und ihr lasst diese Chancen nicht nur alle einfach so vorbeiziehen, nein, ihr beschwert euch auch noch über den Krach, den die Karawane macht.
Mit Maske auf den Sicherheitsabstand scheißen, ist wie sich im abstürzenden Flugzeug anschnallen und dann denken: jetzt bin ich safe. Klingt ein bisschen wie der behinderte Kackvergleich dieser einen Comedytante von letztens, der, den ich so verflucht hab, aber das hab ich auch nur gemacht, weil meine Vergleiche viel weniger Beachtung finden. Titten müsste man haben. Titten und Glück und Durchhaltevermögen. Auf Gesichtsmasken dagegen kann ich verzichten. Wofür trag ich denn die Scheiße, hä? Damit mir alle wieder auf die Pelle rücken können? Das geht mir in Normalfall schon auf den Sack, ganz ohne Das Virus.
Mundschutz-Frage: Was macht das mit mir, wenn ich nicht mehr erkennen kann, ob mir mein Gegenüber wohl gesonnen ist? Aggressiv macht mich das. Hochgradig aggressiv. Da kann der unter seinem scheiß Bandana noch so lächeln, ich sehe das nicht. Für mich ist jeder Zweibeiner eine potenzielle Bedrohung. Frag die Menschen in meinem Umfeld. Die werden sagen: „Aura.“ Und meinen tun sie meine: „Geh mir aus dem scheiß Weg, oder ich ramm dir den Regenschirm hier in dein scheiß Auge“, Aura. Wär ich eine Fledermaus, die Gesichter der Menschen wären die Echoauswertung meiner Aggressionsschallwellen. Und wenn die Auswertung gestört ist, kann es sein, dass ich mit meiner Faust in deinem vermummten Gesicht lande; Schutzreflex.
Ich hocke jetzt seit etwas über einem Monat hier an diesem Schreibtisch. Was das mit mir macht, konnte ich gestern Abend spüren. Ich wohne im Erdgeschoss. Und vor meiner Tür saß ein Typ, arschvoll, irgendwas mit 22:00 Uhr, und redete und redete und trank und schrie und redete, bis ich vom Schreibtisch aufstand, Bomberjacke über, Schlüssel in die Faust, die Haustür aufzog und ihn so laut angebrüllt hab, dass danach die gesamte Straße mucksmäuschenstill war. Der Typ sah mich an und sagte nur irgendwas ähnlich „Das geht auch ein bisschen netter“, ging aber nicht mehr, meine Faust samt Schlüssel auf seinem Jochbein. Tür zu, ich rein, Bier auf. Vielleicht haben die, die über die sich küssenden herfallen, das gleiche Problem wie ich: Neid. Ihr habt Spaß, während mein Kopf immer nur Runde um Runde dreht um alles, was passieren kann, schlimmer noch, passieren wird. Und vielleicht ist meine ausgefahrene Faust deren Schimpfen. Wenn dem so ist – und ich sage nur wenn – ist es um die Schimpfer besser bestellt als um mich.
Ich hab was geschrieben. Was ohne Das Virus. Wie gut oder schlecht das ist weiß man sowieso immer erst ein paar Jahre später. Darum schreib ich erstmal weiter. Auch wenn es sich liest, als hätt ich auf die Tastatur gekotzt. Es geht um die großen Fragen. Um meine großen Fragen. Natürlich. Kunst ist meins. Hier bin ich Chef. Darum: Wer bin ich? Was will ich? Wie krieg ich was ich will? Und geh ich den Weg des geringsten Wiederstandes oder geb ich alles was ich kann, um zwischen Anfang und Ende so viel Leben zu haben wie geht? Literatur als typografisches Abwägen von Möglichkeiten, festgehalten für Menschen mit ähnlichen Fragen, und alle sind wir auf der Suche nach Antworten. Scheiße, ich weiß nicht mal mehr die Frage.
In meiner Wohnung ist kalt. Irgend so ein Witzbold hat die Heizung ausgemacht. Im April. Als ob ich keine anderen Probleme hätte. Jetzt muss ich auch noch frierend vor dem scheiß Rechner sitzen und warten, was als nächstes passiert. Der Monat ist beinahe zu Ende und ich drücke mich vor dem Kassensturz wie sonst einmal im Jahr vor der Steuer. Raus schieben bis zum letzten Augenblick, bis zur letzten Sekunde. Und dann, am letzten Tag, kurz vor Mitternacht, schmeiß ich diesen Umschlag in den Briefkasten des Finanzamtes, flankiert von einem Gefühl, irgendwo zwischen kotzübel und der Ohnmacht gleich. Und auch wenn ich weiß, dass die Steuerfachangestellte in der Abteilung W bis Z nichts dafür kann, die sitzt trotzdem da. Stellvertretend für ein System, dass mir mehr Bauchschmerzen macht als acht Liter weggeexte Kuhmilch.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Nicht mit der Welt. Die Welt ist mir grad scheißegal. Mit mir. Wie es mit mir weitergeht. Wie geht es mit mir weiter? Was passiert als Nächstes? Wo kommt die Miete her? Kommt die irgendwo her? Und wenn nicht, muss ich dann irgendwo hin? Und gibt’s da was zu saufen? Unglaublich, dass ich bei so Fragen überhaupt irgendwas geschrieben bekomme. Andererseits sind die Zeiten, die sich anfühlen wie ein trocken anal eingeführter Dildo aus unbehandeltem Marmor, die Zeiten sind das, auf die man dann Jahre später zurückblickt und Dinge sagt wie: „Weißt du noch? Damals, da bei Dem Virus? Krass war das, oder?“ Und dann lacht man zusammen, stößt an, klatscht sich ab, nimmt sich in den Arm, fickt, oder auch nicht, auf jeden Fall hat man Kontakt. Und Wärme. Physisch und psychisch. Aber irgendetwas sagt mir, dass ich bis dahin noch sehr sehr viele Livestreams ertragen muss. Und wenn ich dann Abend für Abend sehe, wie es ganz oben in meiner Ista-Timeline blinkt, denke ich darüber nach, was das für ein Gedanke sein muss, der all die anderen Künstler zu sowas antreibt. Geld ist es nicht. Oder doch? Ich hab keine Ahnung. Und egal is mir das auch. Ich hab was geschrieben. Was ohne Das Virus. Es wird besser.
Heute gearbeitet. Keine Ängste, kaum Wut. Nur machen, dann rauchen, dann trinken, dann vergessen. Hoffentlich wird Alkohol nicht die neue Kackpappe. Dann steht‘s schlecht ums vergessen.
Das kollektive Bild von Schutzmasken in den Gesichtern der Menschen rüttelt an meinem Bild von Normalität. Und ich brauche dieses Bild, dringend, für mich, um irgendwie durch den Tag zu kommen.
Schutzmasken sind bei mir mit medizinischem Personal verknüpft, und das mit unguten Nachrichten. Jedes Mal, wenn ich einen Arzt sehe – weißer Kittel, Stethoskop, Heiligenaura – sagt der mir irgendwas Schlechtes. „Hören Sie auf zu rauchen oder Sie werden sterben“, „Hören Sie auf zu trinken oder Sie werden sterben“, „Hören Sie auf mit Dings hier oder Sie werden sterben“, noch nie war da ein Arzt und hat gesagt: „Herr Zerbolesch, machen Sie genauso weiter, Ihr Körper wird es Ihnen danken“, noch nie. Und ich aas wirklich nicht sooo sehr mit dem rum. Und weil da diese Verknüpfung ist, stößt mir dieses neue, bald allgegenwärtige Bild von Schutzmasken an Menschen so sehr auf. Ich hasse Schutzmasken. Ich hasse, wofür sie stehen, ich hasse wie sie aussehen und ich hasse aus vollstem Herzen, dass mir jemand sagt: „Du ziehst die jetzt auf.“
Und die „Ja aber, weil“ Fraktion ist mir gerade mal so richtig scheißegal, das ist mein Kopf, hier geht es um mich, ich fühl mich damit nicht wohl. Und das nicht im Sinne von zwickt bisschen, sondern mehr so: „Dicka, is gut jetzt, erst kollektiver Beinahe-Stubenarrest und jetzt legst du mir auch noch meine Anziehsachen raus, ich dachte die Scheiße hätte ich hinter mir.“ Wäre das hier ein Traum, es wäre Kafkas Traum und ich Gregor Samsa, auf dem Rücken liegend, über mir der Prokurist mit einem selbstgenähten Mundschutz in der Hand: Käfermusteroptik. Und ich lieg da und schrei ihn an, diesen Prokuristen: „Verpiss dich mit deinem behinderten Mundschutz, als ob ich nicht ganz andere Probleme hätte, sieh mich an, ich bin scheiß Ungeziefer!“
Diese Verordnung ist eine so starke Neujustierung des öffentlichen Erscheinungsbildes, Dicka, da muss ich mich einfach erstmal dran gewöhnen. Es hat Jahre gedauert, bis ich mich an den Nachfolger des ZX8000 gewöhnt hab, und wirklich prall find ich den bis heute nicht. Veränderung dauert eben bisschen. Manchmal. Aber nur, weil’s dauert, heißt das ja nicht, dass ich per se dagegen bin. Ich verstehe das Grundproblem und unabhängig davon, ob so ein Ding jetzt wirkt oder nicht, es gibt den Menschen ein besseres Gefühl. Jetzt bin ich aber nicht dafür da, den Menschen ein besseres Gefühl zu geben, das krieg ich nicht mal in Worten hin – und die sind mein Handwerk – wie bitte soll ich das in Taten geschissen kriegen!
So oder so, ich brauche mehr Zeit. Entweder um mir ein Umgehungssystem zurechtzulegen, oder aber, um mich an den Anblick von Schutzmasken in den Gesichtern von nichtmedizinischem Personal zu gewöhnen.
Ich hasse medizinisches Personal.
Ich hab Rückenschmerzen. Kurz über dem Becken fühlt es sich an, als würde mir scheiß Freddy Krüger bei jedem Schritt seine Klingen in die Wirbelsäule rammen. Stehen ist ne Plage und liegen geht nur mit angezogenen Beinen. Das einzige was funktioniert, ist laufen. Aber wohin soll ich hier laufen? Das Wohn- Ess- Arbeits- Schlafzimmer auf und ab? Oder die Straße hoch und runter? Hab ich gemacht – das mit der Straße. Aber die Leute hier gucken sehr schnell, als würden sie gleich nen Arzt rufen. Und nicht den Arzt, der dir bei physischen Schmerzen hilft. Wie selbstverständlich man hier davon ausgebt, dass du eher einen an der Waffel kriegst, als nen Bandscheibenvorfall. Jeder Tag, den ich am Schreibtisch sitze + in der Küche stehe + auf dem Scheißhaus hocke, multipliziert meine Rückenschmerzen mit dem Faktor „Scheiß die Wand an, tut das weh“! Was für ein Glück, dass Fitnessstudios geschlossen sind und ich so vor Dem Virus geschützt bin.
Morgen macht Kaufhof wieder auf. Haben ihre Verkaufsflächen einfach mal auf 800 qm eingestampft. Ein Hoch auf alle Erwachsenen, die endlich wieder Dinge kaufen können, während ihre Kinder den ganzen Tag zuhause hocken, randvoll gepackt mit Erwartungen wie Schule hinkriegen, soziale Isolation hinkriegen, alles hinkriegen, und währenddessen dabei zusehen, wie die verkackten Eltern Schoppen gehen. Und niemand springt für diese Kinder ein. Niemand, außer die Eltern mit sowas wie Empathie, aber die meckern ja sowieso nur, weil ihre Kinder sie nerven, klar, den ganzen Tag Kinder um einen herum, das hält ja keiner aus. Wär ich die Kinder, ich würd mir das in mein schwarzes Buch notieren, ganz weit hinten bei der Todesliste, und später, wenn‘s darum geht, ein Pflegeheim für die Eltern zu finden, wieder herausholen. Ihr solltet euch schämen. Zutiefst schämen.
Es ist früher morgen, also Mittag, und ich hab keine Ahnung wie dieser Tag ausgeht, aber wenn er nur halb so frustrierend endet wie er begonnen hat, Dicka, dann zählt das heute als guter Tag. Ein Punkt, der mir hilft, dass aus diesem Tag ein guter Tag wird, ist daran zu denken, wie gerecht die Welt plötzlich ist, weil gerade niemand Konzerte oder Lesungen oder Museen besuchen kann, auch wenn die Gründe diesmal nicht finanzieller Natur sind. Das Virus als Zünglein an der Waage sozialer Gerechtigkeit. Vielleicht wird heute doch nicht so ein scheiß Tag.
Wenn der Mensch die evolutionäre Speerspitze ist. Wie dumm muss dann erst so eine Ameise sein? (Jede Wette, dass mindestens ein Drittel an dieser Stelle einen Satz beginnen würde mit: „Ja, aber Ameisen sind schlaue Tiere, weil sie …“ Und ich kann nicht sagen, ob das die besseren oder die schlechteren Menschen sind. Wobei ich den Ausdruck des „besseren Menschen“ für ein Oxymoron halte.)
Oxymoron und Oxycodon trennt im obrigen Fall wirklich nur zwei Buchstaben. (Ich weiß noch nicht, ob dieser Satz über die klangliche Tiefe hinaus auch noch eine inhaltliche hat, aber wer braucht die schon. Klang is auch Ästhetik.)
Die Deutschen sind zurück. Fühlt sich an wie Polenfeldzug, nur mit Flipflops und Sonnenbrille. Und sie sind einfach überall. In den Straßen. In den Städten. In den Parks. Auf dem Weg in den Supermarkt spring ich von einer Ecke in die nächste, auf der Flucht vor Menschen, Fahrrädern, Autos. Mundschutz als Ablass. Ihr fickt alle meinen Kopf.
Wie kann man als Regierung das Volk erst so verrückt machen, so panisch, dass man ihnen sogar verbietet Geld zu verdienen, und dann, gefühlt wie aus dem Nichts, einfach alles wieder laufen lassen, als hätte der Wolfgang nur kurz Durchfall gehabt, nicht schlimm, Immodium, Waschlappen, neue Rollstuhlauflage, Business as usual? Der Kontrast politische Forderung V völkische Umsetzung ist mir zu groß. Ich kann immer weniger unterscheiden zwischen Panikmache und Ignoranz.
Ich versuche mich an Tyler Durden zu halten. „Zuerst musst du wissen, nicht fürchten, wissen, dass du einmal sterben wirst.“ Ich weiß das. Ich fürchte mich auch nicht mehr so sehr. Vor dem Sterben. Nicht vor dem Tod. Vor dem fürchte ich mich von allen Dingen am wenigsten. Wenn um dann um. Hab ich keinen Einfluss drauf. Aber auf das Sterben, darauf hab ich Einfluss. Und ich will … Ich werde nicht sterben, weil mich so ein Scheißkind von seinem behinderten Hurensohn-Bobbycar aus anrotzthustet. Ich hab erst das Kind angeschrien, dann die Mutter. Und gespuckt hab ich auch beim Schreien. Absichtlich.
Die Leute haben Spaß. Und ich gönn ihnen den nicht. Zurecht. Die sind ja im Normalfall alle schon behindert privilegiert mit ihrer scheiß Bildung und ihrer scheiß Unabhängigkeit und ihrern gottverfluchten aus all dem resultierenden Möglichkeiten. Dieses Gefühl von Ungerechtigkeit ist in Zeiten der Unpandemie schon kaum auszuhalten. Aber im Augenblick, ich sag mal so: Ich weiß jetzt, wie man eine Rohrbombe baut.
Ps. Ich tu wirklich alles für ein Mehr an Optimismus. Und dann verlass ich das Klo und alles ist dahin. Ich geb trotzdem nicht auf.
Da ist eine Schwere – in mir, an mir, überall –, als hätte mir Sonny Corleone Schuhe aus Zement verpasst, mich in den Rhein geworfen und aus einer Kameraeinstellung vom Grund des Flusses sehe ich zu, wie ich Stück für Stück in die Tiefe sinke, während im Hintergrund diese drei Tonnen schwere Version von „You are my sunshine“ läuft, die aus „Sons of Anarchy“.
Heute morgen wurde ich Zeuge, wie das Ordnungsamt lautstark die Warteschlange vor einem Arzt auflöste, und den für Methadon anstehenden mit horrenden Bußgeldern drohte. Dann bin ich weiter gelaufen. Und das ganze Pack, das sich vor ein paar Tagen noch zu Hauf auf der Trasse herumtrieb, verstopft jetzt die Innenstadt wie fünfzig Jahre Teer die Aterien des Marlboro Man, während online diese Kabarettistin da mit Fickvergleichen um sich wirft und alle das hart feiern, weil sie sich selbst bestätigt fühlen: „Ja, seht her, meine Meinung, ich bin im Recht!“ Willkommen zurück im „alles wie immer“-Land, Schande über euch, hoffentlich sterbt ihr alle an Aids.
In meinem Kopf klingt ein Pfeifkonzert, als hätte der Tinitus einen Tinitus, während ich darüber nachdenke, ob ich zum Einkaufen den Baseballschläger wieder ins Spiel bringe. Im Haus gegenüber feiert irgendwer seit Tagen eine Afterhour, und hintenraus haben die Dachdecker mit ihren Bunsenbrennern die Dauergartenparty gesprengt, immerhin. Prof. Dr. Dr. dig. tech. Schneidewind ist in einem Wahlkampfmodus, von dem er sagt, dass es keiner ist, während beinahe alle Bundesländer laut über eine Einführung von Gesichtsmasken nachdenken. Wenn ich so‘n Ding auch noch aufsetze, Dicka, dann bin ich komplett vermummt. Aber was mir am Allermeisten auf den Sack geht, ist die Tatsache, dass – und ich werde nicht müde das zu erwähnen – je länger ihr Kackbratzen da draußen rumlauft, Shoppingtouren unternehmt und euch die Sonne auf die bräsigen Hackfressen scheinen lasst, um so länger muss ich hier warten, bis ich wieder in ein Leben darf, dass mich nicht mehr meinen scheiß Schlaf kostet.
Collini: out.
Heute Morgen hat mich so ein scheiß Webentwickler angeschrieben. Wollte mir Unterricht geben in Design und Syntax und Struktur und so. Hab ihm dieses Bild als Antwort geschickt: (Shoutout an X-Fotos.) Ich denke, er hat’s verstanden.
Heute ist mir langweilig. Nicht so langweilig, dass ich aufstehen und ein Buch lesen würde – zumindest keines von denen, die ich irgendwann einmal von irgendwem bekommen hab. Ganz ehrlich, da ist so viel Scheiße bei, ich weiß gar nicht, warum ich die alle nicht schon lange verbrannt hab. Nein, die Langeweile hier ist anderer Natur. Das ist keine, bei der du in der Bude auf und ab rennst. Das ist mehr so eine: „Okay. Ich hab Zeit. Dann sollte ich doch jetzt was tun? Richtig: schreiben! Aber was?“ Aber so eine richtige Schreibblockade ist das auch nicht, die kenn ich, fühlt sich anders an. Also was ist das dann? Ich hab eine Theorie:
Wenn ich Literatur produziere. Kunst. Dann ist einer meiner Ansprüche der, dass das, was am Ende herauskommt, zeitlos sein muss. Sprich keinen Bezug zum Leben der Gegenwart haben sollte. Warum? Ganz einfach: ich will das nicht. Aber diese Zeit gerade, ich mein, scheiße, die lässt ja gar kein anderes Thema mehr zu als dieses behinderte Kack Virus! Selbst Farid Bang dreht seine Videos gerade mit einem scheiß Mundschutz! Na ja. Und weil das so ist, glaube ich, stocke ich gerade überall da, wo ich nicht über Das Virus schreiben kann.
„Sturm der Liebe“ geht in die Corona-Zwangspause. Bis Ende Mai noch läuft die Staffel, aber dann ist Schicht im Schacht. Hoffentlich kriegt Eva das bis dahin noch gebacken, Christoph zu erzählen, dass das Kind von ihm ist und nicht von Robert. Theoretisch wäre das Stoff für eine halbe Folge, aber „Sturm der Liebe“ wäre nicht „Sturm der Liebe“, würden die nicht eine komplette Staffel um diese Frage herum bauen. Und ganz im Ernst, die Kiste da mit Tim und Franzi … Das ist auch nur eine ganz ganz schlechte Version eines Sancho Pansas: Ohne dich wär jetzt schon ein bisschen langweiliger, aber die Hauptfigur bist DU auf gar keinen Fall.
PS. Noch zwölfmal Schlafen bis zum Release von „Morbus Leben – Räuberhörbuch“. Ich bin noch immer nicht aufgeregt. Aber ich hab Spaß an der Promo. Ich mag die Trailer. Den Soundtrack. Und ich mag mir Dinge einfallen lassen, das alles zu präsentieren. Was ich für ein Glück hab, dass ich das alles selber machen kann.
Ich hab das mal recherchiert. Google sagt, dass es in NRW 30.000 Künstler gibt. Jetzt ist das mit den Künstlern aber so, dass sich das theoretisch jeder auf die Fahne schreiben kann, „Ich bin Künstler“, gibt ja keine Innung. Und auch keine Sticker für den Bulli, so wie bei den Handwerkern. Die, die immer aussehen wie von der AfD, mit ihrem blau und rot. So oder so, ich hab keine Ahnung, wer alles in diese Zahl von 30.000 mit reingerutscht ist, aber sie steht da. Ich komme darauf, weil es vor kurzem ein Soforthilfepaket für alle Künstler in NRW gab, 2.000 Euro pro systemunrelevanter Nase, hier, nimm, drei Monate muss reichen, für alle was da, mach easy peasy.
Jetzt is aber so, dass ganz schnell nix mehr war mit easy peasy, weil dieser millionenschwere Topf – fünf Mios, um genau zu sein – der war so schnell leer, wie gleichzeitig Menschen auf Homepages mit Förderanträgen klicken können: schnell. Aber ein Feedback gab es nicht. Keine „easy peasy Ende“ Nachricht, kein: „Ihr Antrag konnte nicht bearbeitet werden“, nix. Und vor kurzem dann trudelten überall diese E-Mails ein, in denen sinngemäß stand: „Ich bin eine automatisch generierte E-Mail, wehe Sie antworten mir. Ach so, und der Fördertopf für Künstler ist alle, 5 Mios waren aber auch echt viel.“ So. Und dann hab ich das mal recherchiert und stieß auf diese Zahl. 30.000. Keine Ahnung wie aussagekräftig die ist, aber man kann das ja mal von hinten aufrollen. 5 Millionen Euro sind im Topf. 2.000 Euro pro systemunrelevanter Schmarozernase. Reicht für …
Zweitausendundfünfhundert Künstler?
2.500 Künstler!
Kann man genau so stehen lassen.
Menschen, die sich nicht an Absprachen halten, kann ich genauso gut gebrauchen, wie einen Sack voll Arschlöcher: bedingt bis gar nicht. Ist natürlich auch die beste Zeit, um einfach seinen eigenen Film zu fahren. „Waaas? Viele Verlässlichkeiten fallen weg? Nein, also DA muss man was gegen tun. Obwohl, ich kann auch einfach mitmachen! Das macht aus mir zwar einen richtig richtig üblen Hurensohn, aber was interessiert mich der Arsch des Nachbarn, meiner is eh viel geiler, hier guck!“ Halt die Fresse, setz dich hin, Challenge.
Jetzt könnt ich natürlich mit mir selber ins Gericht gehen ob der übertriebenen Erwartung. Siehste, was hab ich gesagt, Menschen sind scheiße! Hier der Beweis, nicht, dass du das wieder vergisst. Ich hab’s nicht vergessen. Ich hab’s verdrängt. Weil wegen Positivismus. In so richtig behinderten Zeiten, da ist doch mal angebracht, ein bisschen Optimismus zu streuen, an Optimismus zu glauben, ihn einzufordern. Dachte ich. Bis dieser Hurensohn aufkreuzte und mich an meinen Grundsatz erinnerte, der so alt war, dass ich ihn beinahe schon wieder vergessen hätte: „Menschen sind scheiße. Halt dich fern von ihnen. Sollte das nicht gehen, behalte immer die Oberhand. Nichts ist schlimmer, als wenn dich jemand stehen lässt, und dich das emotional so aufbläst, dass du die Beherrschung verlierst.“ Und da steh ich nun, emotional aufgeblasen und räumlich eingeschränkt. Was sehr gut für die entgleisende Beherrschung ist, weniger aber für das dringend benötigte Ventil. Vielleicht sollte ich ne Runde um den Block laufen. Aber bei dem Menschenaufkommen hier könnte das leicht außer Kontrolle geraten. Muss ja nicht sein, dass der Falsche die ganze Wut abbekommt.
Was es bräuchte, wär eine Schublade für Emotionen. Sowas wie ein Sparbuch oder ein Konto, auf das man in Krisenzeiten einzahlt – Wut, Trauer, Raserei, Mordgedanken –, und bei dem man sich bei Bedarf dann bedient und die Scheiße einfach durchzieht, ein Beispiel: Du stehst mit dem Achim und dem Jürgen an der Trinkhalle. Drei Mann, drei Bier, bisschen schnacken, alles gut. Dann aber sagt der Achim plötzlich: „Du, Hank, hör mal. Der Rüdiger, der sagte gestern, dass deine Mutter Chlamydien hat, und dass wenn man ihr auf die Chlamydien drauf drückt, dass deine Mutter dann so feucht wird, dass da ein kompletter Gemüsegarten Platz hätte, und dass er das weiß, weil er das schon ausprobiert hat.“ Das ist ein sehr langer Satz, besonders für Achim, aber für unser Beispiel ist er hervorragend geeignet. Denn so hat der Protagonist Zeit, sich während des laufenden Satzes so in Rage zu schrauben, dass er, wenn Achim fertig ist, Blutdruck hat, mit dem er jede Dampflock befeuern könnte. Und wie schön bitte wäre das jetzt, wenn der Protagonist diese Mordgedanken, die er jetzt hat, wenn er die einfach auf Halde legen, und wenn Rüdiger dann spät Nachmittag von der Arbeit kommt, wieder herausholen könnte. Das wär doch super! Keine Magenschmerzen mehr, keine Reizdarmsyndrom-Attacken, alle sind tiefenentspannt. Zumindest bis Rüdiger auf der Bildfläche erscheint. Und wenn er das tut, dann kann man emotionales Guthaben abheben – aber auch nicht alles, nur bis kurz vor Totschlag – und den Rest lässt man einfach drauf, für irgendwann. So eine Möglichkeit hätt ich gerne.
Hab ich aber nicht. Krieg ich wohl so schnell auch nicht. Darum sitz ich jetzt hier. Auf diesem Pulverfass. Mit Wut im Kopf und Benzin in den Adern. Und meine Kippen sind weg. Ich weiß nicht ob alle oder irgendwo vergessen, so oder so, am Ende muss ich die Wohnung verlassen. Will ich gerade nicht. Ich hasse Corona. Ich hasse Menschen. Aber wahrscheinlich hasse ich gerade einfach mich. Weil ich mich habe emotional aufblasen lassen. Ich sollte eine Verschwörungstheorie in die Welt blasen.
Wär diese Zeit Musik, sie hätte Hall. Viel Hall, viel Gitarre. Maggot Brain, mindestens. Ein epischer Soundtrack zum in die Ecke setzen und rauchen und trinken und heulen und wieder aufstehen und weitermachen. Ich bin einsam. Nicht alleine, einsam. Getrieben und gleichzeitig ausgebremst. Nicht von irgendwem, von mir. Ich hab so viel Zeit, wie ich schon immer haben wollte, könnte alles tun, was auf meiner Agenda steht, auf dieser Liste, die von Jahr zu Jahr länger wird, länger und breiter und tiefer, aber ich sitze hier. Ich sitze und starre und weiß nicht, wo anfangen. In meinem Kopf ist kein Karussell mehr. Kein Gedankenblitzlichtgewitter. Da ist nur noch: „Das ist also meine Wand. Aha. Schnaps.“
Heute entscheidet irgendwer, wie’s weitergeht. Drauf geschissen. Interessiert mich nicht. Was mich interessiert ist Herz, Herz und der Kontrast der entsteht, wenn man ein „verdammte Scheiße“ ans Herz hängt. Aber alles, was ich kriege, ist eine halbstündige Aktualisierung von Zahlen erkrankter und verstorbener Menschen. Ey. Tagesschau. Was hat irgendwer davon, wenn ihr immer und immer wieder Zahlen updatet? Hört auf mit der Scheiße. Ich will das nicht hören. Noch ne Woche und aus meiner schlechten Kondition beim Joggen wird eine tödliche Corona-Infektion, allein durch die Kraft der Suggestion. Macht doch mal ein Good-News-Special. Irgendwas, das mir nicht das Gefühl gibt, dass wir a: alle sterben und b: zurecht.
Ich weiß, ihr sprecht das nicht aus, dieses: „Wir werden alle sterben“. Aber ihr sagt das zwischen den Zeilen. Latent. Durch bloße Wiederholung. Das ist nicht hilfreich. Ich weiß, die Menschen – oder der Großteil – will das hören. Aber doch nicht mit einer solchen Intensität!
Eilmeldung. Bund und Länder empfehlen Masken. Einzelhandel größtenteils ab Montag wieder geöffnet. Was ich nicht verstehe ist, darf ich da jetzt zu zweit, oder doch zu mehreren in den Kaufhof? Klar, der Verstand sagt: „Weder noch, bleib zu Hause“, aber wen interessiert schon der Verstand, wenn man auch einfach Dinge kaufen kann?
Wie ich mir manchmal selber auf den Sack gehe mit diesem ewigen Genölle.
Es ist laut um mich herum geworden. Menschen renovieren Balkone. Spielen Klavier. Kernsanieren Wohnungen. Als Konter kann ich Moses dabei zusehen, wie er zwei Stunden lang Fragen von Menschen beantwortet. Viele davon beantwortet er mir. Das hilft. Gegen persönliche Einsamkeit wie gegen globale Hoffnungslosigkeit.
Im Moment bin ich viel draußen. Geh spazieren. Jogge. Trinke Bier. Das bewahrt mich vor einem emotionalen Kollaps. Es führt aber auch dazu, dass ich mich immer mehr im Kreis derer sehe, die sich nicht an die Empfehlung halten, Zuhause zu bleiben. Aber meine Wohnung ist nicht zum Leben gemacht. Die ist für Leute gemacht, die den ganzen Tag woanders Dinge tun, und nachts/morgens einen Ort zum Schlafen brauchen, vielleicht noch nen Kaffee, kochen wird schon schwierig. Und davon mal ganz abgesehen, ist mein Drang nach Freiheit, mein Streben nach Unabhängigkeit im Sinne von „Niemand sagt mir, was ich zu tun und zu lassen habe“, um so viel größer, als mein Gewissen laut ist. Nicht aus Trotz, sondern meiner Erfahrungen wegen. Und die hab ich mir nicht ausgesucht. Du wirst geboren, gefickt, und dann musst du mit dem leben, was übrig ist. Trotzdem versuche ich mich im Draußen so gut es geht von Menschen fernzuhalten. Das kann ich ganz gut, darin bin ich geübt. Aber es wird anstrengend, es werden immer mehr, der Abstand immer geringer, die Blicke beim wieder Abstand nehmen immer verständnisloser.
Ich bin gegen eine Lockerung der Maßnahmen. Ich finde sie zutiefst erdrückend, sie erinnern mich an totalitäre Hurensohnscheiße und wahrscheinlich werde ich mich nicht an sie halten, aber sie sind wichtig. Ich glaube, in diesem Fall gibt es kein schwarz oder weiß. Kein richtig oder falsch. Das ist kein Klimawandel. Kein „Wir müssen so machen, dann wird wieder gut.“ Egal wie du machst, in meinem Kopf geht das nie gut aus, so oder so. Und ich lebe trotzdem weiter. Geh raus. Lauf rum. Trink Bier. Meine ganz persönliche Version von Werktreue.
P.s. wie komm ich aus diesem ekelhaften Blogartikel-Sprech raus?
Letztes Jahr wurden 45 Mio. Küken geschreddert. In Düsseldorf benutzt die Polizei Drohnen, um zu überwachen, ob sich irgendwo in der Stadt mehr als zwei Menschen auf einmal treffen. Am Wuppertaler Bahnhof Mirke sitzen so viele Leute beieinander, wie zuletzt im Hambacher Forst gegen die Waldrodung demonstriert haben. Dem Aussehen nach sind es sogar dieselben. Colonia kostet beim Büdchen sechs Euro, und die Packung Gauloises 6,20 Euro statt 6,60 Euro, und so schmecken die auch. Gleichzeitig sagt Steinmeier bei seiner Osteransprache, dass wir Deutschen in Europa nicht nur zur Solidarität aufgerufen, sondern dass wir ihr verpflichtet sind. Ich weiß wie er das meint. Aber ich fange an zu verstehen, warum der Frieden einer Nation so selten drei Generationen überdauert.
Weltuntergangsstimmung. Wir werden alle sterben. Wenn nicht am Virus, dann am Klimawandel. Die aufgeweichte Hartnäckigkeit des einen wiederholt sich im anderen. Friseure schneiden undercover Haare. Fahrradläden reparieren heimlich Fahrräder. Menschen feiern Partys in Hinterhöfen. Kann ich es ihnen verübeln? Nein. Jeder kämpft seinen ganz eigenen Kampf, so nah wie möglich zurück in die Normalität. Inkubationszeit, bis zu 14 Tage. Wenn das stimmt, bricht in knapp einer Woche die scheiß Hölle los. Wär ich Terrorist, ich würd die Füße hochlegen und mir ganz entspannt das Tutorial ansehen.
Was bedeutet das für mich? Keine Ahnung. Muss alles Bedeutung haben? Kann ich die Scheiße nicht einfach aussitzen? Zuhause bleiben und zusehen, wie sich die Welt selbst ins Knie fickt? Apropos ins Knie ficken. Ich wollte immer nach Amerika. Kalifornien. Wüste. Meer. 362 Tage Sonne. Ich danke Gott, dass ich nie das Geld hatte, denn hätte ich es gehabt,Ich wäre jetzt dort. Mashallah.
Gestern las ich, dass man dieses Jahr nicht mehr damit rechnen sollte, dass Kulturveranstaltungen stattfinden. Quelle: Irgendwas mit Bundesregierung. Authentizitätsgehalt: Ich bin nicht Günter Wallraf. Was das für mich bedeutet, kann ich ganz klar sagen: Alternativen suchen. Nicht nur als Künstler. Auch als Konsument. Keine Lesungen. Keine Ausstellungen. Konzerte mochte ich noch nie, zu viele Menschen, von daher vermisse ich die nicht. (Außer Moses in Köln, das hätte ich wirklich gerne gesehen. Gerade jetzt. Gerade hier.) Aber Kunst wird mir fehlen. Wenn nicht in haptischer Form, dann einfach des Gefühls wegen, dass zwischen ihr und mir nur eine Tür liegt, und die offen steht. Man weiß immer erst was man hatt, wenn es weg ist.
Ich warte auf den Tag, an dem das Lokalradio aufhört, triviale Scheiße aneinanderzureihen und sich stattdessen fragt: „Wenn ich jetzt den ganzen Tag Zuhause hocken müsste. Was wär da hilfreich?“ Und nein, wie ich mir selber die Haare schneide ist es nicht, auch nicht ein halbstündiges Command+R irgendwelcher Fallzahlen, ich mein was richtig hilfreiches. Etwas so hilfreiches, dass man in der Redaktionssitzung erstmal ausdiskutieren müsste, ob man das überhaupt senden soll! Stattdessen bearbeiten die diesen gesamtgesellschaftlichen Zustand, als wär der Zirkus in der Stadt! „Was du beim Bäcker wissen musst!“ „Was du beim Kackpappe kaufen beachten solltest!“ „Wie groß der Abstand an der Kasse zum Vordermann sein soll!“ (Die Antwort ist übrigens immer die gleiche.) Euer Ernst? Was‘ das hier, hä? Is Kirmes und ihr seid der Schausteller mit dem Mikro vor der Fresse? „Hereinspaziert, hereinspaziert! Kommen Sie, schauen Sie, staunen Sie! Erwachsene fünf Mark, Kinder nur die HÄLFTE! Is Euro, wissen wir, aber früher war doch alles besser, da war nämlich keine Corona! Apropos Corona, Jasmin, hast du schon gehört, dass Corona uns den ESC kaputt gemacht hat?“ „Was? Nein! Ehrlich wahr, Jens?“ „JA!“ „Na was für ein Glück hab ich noch Amazon Prime Zuhause. So kann ich die Zeit gut überbrücken, bis ich wieder Dinge kaufen kann. Hahaha.“ „Ja, stimmt, hahaha.“
Und als ob das Gelaber nicht schon belanglos genug wär, gibt’s als Kirsche obendrauf noch das Songvoting. „Wähle jetzt deinen ganz speziellen, total individuellen Soundtrack zum Untergang! Du hast die Wahl zwischen Justin Biebers „Yummi“ und „Supergirl“ von Reamon! Leider haben wir nix über oder unter 95 Bpm, weil schon dieser eine Räpper aus Berlin, wie hieß der noch, Jens?“ „Flär.“ „Genau, Flär! Der wusste ja auch schon, dass 95 Bpm immer funktioniert, quasi der kleinste gemeinsame Nenner ist!“ „Jasmin, du bist so tait!“ „Danke Jens, dafür twörk ich auch gleich für dich!“
Und eins noch, dann hör ich auch auf und mach aus: Fotos vom scheiß Sonnenaufgang machen, und dann noch Fotos davon machen, wie ihr Fotos vom scheiß Sonnenaufgang macht, das ist wirklich Marginalität sein Vadda.
Und am Schluss will ich noch schnell wen grüßen, und zwar Eilike, Daniel, Feivel und Ramona, Vonny und Harald, Cathy und Andy nicht zu vergessen, den Knut und das VPT, außerdem Johannes, Beate, Christian, den Spieß (trotz Streit), und ich wünsche mir von Maroon 5 das Lied „Memories“. >>skip>>
Ich war heute einkaufen. Die Frage ist, wer hier das Virus ist.
Eine Bande alternativer Mittzwanziger Muttis hat meinen Hinterhof okkupiert. Die sitzen da mit ihren scheiß Babys auf ihren scheiß Patchwork-Decken, trinken Ingwer-Zitronentee, hören behinderte Musik und freuen sich ihres scheiß Lebens. Und ich sitz dann da, einen halben Meter entfernt, hinter dem Fenster, in meinen 30 Quadratmetern und muss – wenn ich nicht will, dass mir irgendwelche wildfremden Leute in meine Quarantänebude glotzen – die Jalousien runterziehen, was dazu führt, dass noch finsterer wird, in meiner Bude und in mir. Seit drei Tagen geht das jetzt. Und weil ich generell nicht so der soziale Typ bin, hab ich für solche Fälle eine ganz eigene Vorgehensweise. Phase eins besteht daraus, mich mit nem Aschenbecher und ner vollen Schachtel Gauloises in den Hinterhof zu setzen. Zwei Meter sind vielleicht genug für ein scheiß Virus, aber eindeutig zu wenig für Zigarettenqualm, wenn Muttis mit schreiendem Anhang anwesend sind. Ein Raunen geht durch die Menge. Das Ding ist nur, dass ja keiner was sagen kann, weil eigentlich dreh ich den Spieß nur um. Das ist mein Hinterhof, so wie das dein Hinterhof ist, dritte Mutti von links mit dem sehr sehr hässlichen Baby im Arm. Also bleibt es bei dem Raunen, dem Umsetzen der lieben kleinen und der Hoffnung, dass ich nach dieser Kippe wieder weg bin. Denkste. Frau, ich rauch Kette. Einundzwanzig orange weiße Glimmstängel lang rauch ich hier für meine scheiß Privatsphäre, ohne Punkt und Komma, die neue Zichte mit der alten angezündet, und wenn die Packung leer ist, kauf ich mir ne neue: Phase eins.
Der nächste Schritt ist bisschen heikler. Da kam es schon des öfteren mal zu Handgreiflichkeiten, aber da wo ich herkomme sind Handgreiflichkeiten Alltagswerkzeug, das ist wie einkaufen oder Müll rausbringen, willkommen zu Phase zwei: Musik. Man kategorisiere das Klientel und greife in eine Schublade mit Musik, so konträr zum bespielenden Klientel, dass man zusehen kann, wie sie beim Hören leiden, sich winden, ihre Sachen packen und verschwinden. In meinem Fall ist das ganz einfach, ein Blick genügt, deutsch muss es sein. Deutsch und laut und roh und nicht Rammstein, Rammstein ist zu etabliert. Punk auch nicht, da weck ich wahrscheinlich nur Erinnerungen an die wilde Jugend, die Phase zwischen 14 und 15, wo sie diese eine SLIME-Platte rauf und runter gehört haben, „Wir wollen keine Bullenschweine!“, ne, lass mal, nachher werden die noch rührselig. Ein Grenzgänger is da viel passender, Onkelz, Frei.Wild, JBG3, sowas. Also kurz rein, Kippe brennen lassen – soll ja keine falschen Hoffnungen wecken – Boombox rausgeholt, connected, Mucke ausgesucht, Feuer frei, gib ihm, Phase zwei.
Warum ich das mache. Warum ich nicht einfach hingehe und sage: „Kumma, is auch dein Hinterhof, ich weiß, aber die ganzen anderen acht Freundinnen hier und deren kleinen Kinder, deren Hinterhof is das nicht, das weiß ich, die Bude hat nur sechs Wohnungen, eine hab ich, eine hast du und eine hat der Typ aus der Ersten, der, der die ganze Nacht durch ravet, der Mucke nach zu urteilen seit Mitte der 90er. Darum wäre es sehr sehr nett, wenn ihr eure Steppdecken jetzt nicht den ganzen Tag vor dem einzigen Fenster parkt, von dem aus ich hier in meiner Bumsbude bisschen Sonne abgreifen kann, geht das, das wäre supernett, Danke.“ Warum nicht so? Ganz einfach. Zum einen ist mir echt langweilig. Ich meine wirklich langweilig. Und irgendwie muss ich mich ja auch beschäftigen. Ich kann nicht den ganzen Tag nach Möglichkeiten suchen, meine Kunst unter die Leute zu bringen, zumal in Zeiten, in denen das Fenster der Aufmerksamkeit zwar gleich groß ist, aber sich immer mehr Leute versuchen gleichzeitig durchzuquetschen. Und zum anderen is halt wirklich unterhaltsam mit anzusehen, wie – vereinzelt – plötzlich so ein Riegel einklackt, wenn jemand checkt, dass Privatsphäre ein Ding ist, das nicht nur du selber, sondern auch andere gerne haben wollen. Und drittens ist das eine sehr sehr gute Möglichkeit, Menschen in Extremsituationen zu beobachten, wenn es kaum Menschen zu beobachten gibt. Von daher sollte ich mich vielleicht gar nicht beschweren, sondern das nächste Mal ein wenig früher die Segel streichen. Nachher kommen die nicht mehr wieder. Und wo greif ich denn dann Geschichten für die Kunst ab?
Siehste.
Gestern war ich joggen. Ich war sehr lange nicht mehr joggen, aber ich war auch sehr lange nicht mehr nicht im Fitnessstudio. Also dachte ich das’ jetzt nicht sooo verkehrt mal wieder ein paar Kilometer zu laufen, so ganz ohne Ziel, nur ich und meine Atmung; falsch.
Ich war auf der Trasse laufen. Die Trasse ist eine alte Bahnstrecke in Wuppertal, die vor ein paar Jahren zu einem Fußgänger- Fahrradzwitter umgebaut wurde. Die einzig ebene Strecke in der Stadt, wenn du nicht gerade über die Hauptverkehrsachse laufen willst. Wobei das im Augenblick die bessere Wahl sein dürfte, denn die Trasse, DICKA, die Trasse war so voll wie die Düsseldorfer Heinrich-Heine Allee im Straßenkarneval. Hier ausreichend Abstand zu auch nur irgendwem zu halten, das war auf dreiviertel der Strecke, die ich gelaufen bin, unmöglich. Das hat dazu geführt, dass ich mich – anfangs still in mich hinein, nach einiger Zeit immer lauter werdend – so sehr über die ganzen Menschen aufgeregt hab, dass mir die Puste vom Motzen schneller ausging als vom Laufen.
Da stand ich dann also lautstark brüllend auf der Trasse, die Omma angeschrien, den Vater mit seinen Kindern angeschrien, die Fahrradfahrer angeschrien, ich glaub an mir ist keiner vorbeigekommen, der nicht ne verbale Packung mitgenommen hat. Und nach kurzer Zeit sind mir zwei Dinge aufgefallen. Erstens: Keiner wehrt sich. Das jetzt bei der Omma nicht sonderlich ungewöhnlich, was soll die machen, die ist alt. Aber spätestens bei den beiden Typen auf dem Rad hätte ich damit gerechnet, dass jetzt einer von denen anhalten, vom Rad steigen, auf mich zu marschieren und mich versuchen würde unangespitzt in den scheiß Boden zu rammen. Was ihm sehr schwer gefallen wäre, denn den Boden hat die SPD mitverlegt, so richtig händisch, und wenn die was machen, dann ist das zementiert. (HA! HAHA!) Und nachdem mein Ego mal kurz von seinem hohen Ross runter ist, wurde mir klar, warum das so ist. Warum sich keiner wehrt. Weil an dir vorbeilaufen das geht, dich dabei anrempeln ist jetzt auch nicht so das Ding, aber so richtig handgreiflich werden, das geht dann doch zu weit. Noch. (Und ich habs echt drauf angelegt.)
Erkenntnis Nummer zwei aber ging noch viel tiefer. Die kam nämlich aus der Einsicht, dass ich in dem Augenblick, in dem ich auf dieser Trasse stehe und mich darüber aufrege, dass die ganzen Vollspackos um mich herum doch einfach auch mal zu Hause bleiben könnten, dass ICH in dem Moment der Vollidiot war. Denn den meisten Menschen ist schon klar, dass das gerade jetzt nicht die Zeit ist, um sich körperlich allzu nah zu kommen (#schlagdenHank), wohl aber auch nicht die Zeit, panisch zu Hause in der Bude zu hocken und darauf zu warten, dass die Welt untergeht. Sondern vielleicht einfach mal bisschen raus, an die Luft, Gehirn durchpusten, und dann kannste auch wieder zurück in die Isolation, aber Bewegung muss, da sind sich alle einig. Und dann steht da dieser Otto, mitten auf der Trasse – in Joggingkluft! – und beschimpft die alte Omma, weil die nicht zu Hause weiter Rote Rosen guckt, sondern mir hier den Freiraum nimmt um zu laufen! Das hat dazu geführt, dass ich erstmal wieder sehr leise wurde. Und dass ich verstanden habe, dass selbst ich in Situationen wie der unsrigen nicht davor gewahr bin, mich so zu verhalten, wie ich es bei anderen niemals durchgehen lassen würde.
Was mir das jetzt über mich sagt: Ich bin immer noch reflektierter als die Meisten hier, wohl aber nicht in dem Sinne, als dass ich in Extremsituationen besonnener oder auch nur reflektierter handeln würde, als es die Meisten tun. Am Ende gehen halt alle kacken.
„Polizeirevier. Ich hätt so gern ein Bier. N Bulle fragt: „Was ham Sie sich dabei gedacht, mein Lieber?“
Freidrehn!
Westernhagen ist ein alter Mann. Das tut mir sehr leid. Für mich.
Drei Bier sind ein Ouzo.
ICH DREH DURCH!
Wenn man diese Regelmäßigkeiten durchzieht – kochen, essen, spülen, kochen, essen, spülen – das ist ja wie ein nie endender Kreislauf aus Nebensächlichkeiten!
Was macht man mit einem Leben, in dem es bis dato kaum Freizeit gab? Und wenn doch, dann fand die an irgendeinem Tresen statt. DAS IST ALLES WEG! Gewöhnt man sich dran? FICK DICH!
Dicka, das macht kein Spaß so.
Was macht denn Spaß?
Hä?
Wenn du dir nen Tag backen könntest. Wie müsste der aussehen, damit du am Ende denkst: „Netter Kontakt, gerne wieder.“?
Punkt eins: Kein Wecker. Wecker sind der Tod. Wecker sind noch mehr Synonym für Mittelmäßigkeit, als es ein Passat je sein könnte.
Okay. Und weiter?
Kaffee.
Kaffee ist so sehr Synonym für Mittelmäßigkeit, da stinkt ne ganze Flotte Passats gegen ab.
Ignorier ich.
Dann?
Aufstehn, duschen, Schreibtisch.
Und dann?
Schreiben.
Was?
Keine Ahnung, Freidrehn. Dann einschicken, Kasse klingeln, #katsching, Muckibude.
Was da?
Eisen drücken.
Ah. Und dann?
Tresen. Trinken.
Bier?
Auch.
Und dann?
Keine Ahnung. Koks, Nutten, AMG klauen, Verfolgungsjagd, sowas.
Freidrehn?
Richtig.
Ich fasse zusammen. Alles was deinen augenblicklichen Tag von einem guten Tag trennt, ist die Muckibude und der Tresen.
Und Menschen.
Menschen auch?
Jep. Passiv.
Das heißt?
Die können da sein, sollen mich aber in Ruhe lassen.
Passiv.
Passiv.
Keine aktiven?
Doch, auch.
Und wer?
Geht dich nix an.
Dicka, ich bin du, wen geht das was an, wenn nicht mich?
Command next.
HA! Das war Ivar Leon Menger!
Command next.
Darf ich was sagen?
Darum sitzen wir hier.
Geh joggen!
Joggen ist was für Frauen und Kinder. Für die, die zuerst gerettet werden.
Das klingt ganz schön sexistisch.
Ich weiß.
Siehst du das wirklich so?
Quatsch.
Und warum sagst du dann sowas?
Command next.
Geh laufen. Ernsthaft. Du kannst jetzt da sitzen und rumheulen wie scheiße alles ist und wie scheiße die Menschen sind – obwohl du sie ja dann doch gerne dabei hättest –, oder du ziehst dir den Arsch aus dem Frust, steigst in die Laufschuhe und rennst. Und rennst und rennst und rennst und rennst und –
Und der Tresen?
Geh online!
Wie, online.
Skype, Facetime, ruf die Leute an, mach dir dabei ein Bier auf und dann trinkt ihr zusamm –
Übertragung beendet.
Gestern war ich beinahe den ganzen Tag draußen. Hier, da, überall, verhaftet mich doch. Der Unterschied zwischen einer Zelle und meiner Wohnung liegt im Internetzugang, und der macht mir gerade sowieso nur schlechte Laune. Also raus. Hält ja keiner aus, wochenlang ohne Himmel, ohne Luft, ohne Freiraum. Um den Mindestabstand muss ich mir keine Gedanken machen, ich bin Schriftsteller, ich hab keine sozialen Kontakte. Und wenn doch, dann sind das meistens andere Künstler und die sind sowieso alle komisch bis sozial inkompetent, da hält man grundlegend Abstand.
Was gut war am Draußen war die Tatsache, dass das Gehirn wieder ausreichend mit Sauerstoff versorgt wurde. Das hat dazu geführt, dass ich über Dinge in einer Breite nachdenken konnte, die bis dahin seit Tagen nicht mehr möglich gewesen war. Zum Beispiel über die Frage, bis wann das noch so weitergehen soll? Klar, Regierung sagt: „Lass mal bis Ostern gucken“, aber wer bitte glaubt denn ernsthaft daran, dass wir nach Ostern wieder irgendwo essen gehen können? Oder auf ne Lesung? Oder ins Konzert? Und ich hör sie jetzt schon wieder in Versalien brüllen: „ERSTMAL ÜBER ARBEIT UND GELD UND WIRTSCHAFT NACHDENKEN, BEVOR’S UM DEN SPASS GEHT! DU OTTO!“ Da kann ich nur antworten: „DEIN SPASS IST MEINE ARBEIT! DU KACKWURST!“ Glaubt wirklich irgendwer, dass wir nach Ostern diesen Zustand verbessern können? Was das für eine arrogante Denke ist. Als ob sich so ein Kackvirus um die Auferstehung Christi kümmert. Karfreitag wird nur Fisch infiziert. Bestimmt.
Aber wenn dem nicht so ist – nur mal rein hypothetisch jetzt – was ist ein realistischer Zeitpunkt, um den ganzen Bums hier wieder hochzufahren? Ich selber weiß das nicht, aber Gott sei Dank ist da ja diese YouTube-Tante – der eine oder andere wird sie gesehen haben (Stand heute Morgen: 2,4 Mio.) – die ein paar Rechnungen aufmacht, wie lange dieses Lange sein könnte. Und was soll ich sagen: die Frau ging mir schon nach zwei Minuten auf den Sack. Nicht wegen dem ganzen Sidefactgewitter, sondern weil die mir gesagt hat, dass das wohl dieses Jahr nichts mehr wird mit Konzerten und Lesungen und all dem anderen Zeugs. Ich hab natürlich kein Plan, ob das alles überhaupt stimmt was die mir da erzählt (ja, da war kurz ein FUNK-Logo zu sehen, aber das bau ich dir hier auch ein, geht ganz schnell, zwei Minuten, gehör ich auch dazu. ), aber sie hat’s gesagt. Und was gesagt wurde, das steht erstmal da und damit setzt sich mein Kopf dann auseinander, ob ich will oder nicht.
Was lern ich jetzt aus der Sache? Erstens: Klick nicht auf YouTube-Links mit Corona und irgendwelchen Phrasen im Titel. Zweitens: Wir werden alle sterben. Drittens: Eine Flasche Ouzo ist eine halbe zu viel. Heute wird besser, ich geb nicht auf.
Heute Morgen hab ich gelesen, dass sich gerade viele junge Menschen draußen treffen, rumhängen und lachend auf die Alten scheißen. Und dass das deren Rache ist, dass die Alten beim Umweltschutz auf die Jungen scheißen. (Kann ich verstehen.) Dann bin ich vor die Tür gegangen. Raus. So richtig bis tief hinein in die Stadt. Und was soll ich sagen: Es sieht aus, als wollten die Alten gar nicht gerettet werden. Das sieht eher aus, als stünden die alle an der Klippe und würden nach und nach runterspringen wie scheiß Lemminge. Nur dass die in der Stadt nicht von den Dächern springen, sondern suizidal schleichend, dicht an dicht gedrängt, durch die Innenstadt schlurfen, wahrscheinlich auf der Suche nach dem letzten Osterhasen für die lieben Enkel, und mit letzten mein ich nicht, dass die schon acht davon zuhause haben.
Und auch wenn ich mir vorgenommen hab, das alles heute nicht wieder so an mich ranzulassen – ich würd grad gerne bisschen lösungsorientierter denken wollen – sitz ich jetzt schon wieder hier, Kette rauchend, und kotze ob der Alten, die sich da draußen noch paar schöne letzte Stunden machen. Nicht weil die nicht tun was man tun sollte, drauf geschissen (wenn das wer versteht, dann ich), sondern weil die MICH damit ausbremsen! Solange die sich da draußen alle gegenseitig die Münzen auf die Augenlider legen, ist es mir untersagt, Geld zu verdienen, und dafür hasse ich alle über 65, pauschal, genau jetzt, ihr seid alles Hunde. Generell bin ich Freund von zivilem Ungehorsam, aber doch bitte nicht, wenn es um mich und meinen Freiraum geht! Das‘ wie mit den Windrädern. Energiewende ja, bitte, aber warum pflanzt du dieses verkackte Windrad genau vor meinem Fenster, das kann doch nicht dein Ernst sein!
Ich sollte weniger Kaffee trinken. Ich zittere. Aber mein Bewegungsradius ist hier sehr klein, wenn’s mal weiter als bis zum Klo werden soll, dann bleibt nur die Küche. Und wenn ich in zwei Monaten nicht aussehen will wie Joschka Fischer nach der dritten Scheidung, dann Finger weg vom Kühlschrank und lieber an die Kaffeemaschine. Wobei ich mich gerade wieder frage, warum ich den ganzen Bums überhaupt mitmache, kann doch nicht sein, ich krieg hier einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen, und draußen rennen sie alle rum, die Risikogruppen. Ich weiß zwar, dass ich es verhältnismäßig gut getroffen habe – ich hab ein Dach über dem Kopf, die Heizung geht, Essen ist da, Bier auch noch bisschen –, aber wenn du längere Zeit Ferrari gefahren bist und dann kommt wer, nimmt dir den weg und stellt dir ein Fahrrad hin, dann ist das erstmal scheiße. Und ich fühle mich gerade, als hätten mir die ganzen Alten meinen Ferrari geklaut und noch nicht mal ein scheiß Fahrrad dagelassen, und ich müsste jetzt zu Fuß irgendwo hin, ganz weit weg. Ich glaube, ich meckere grad auf hohem Niveau. (Memo an mich: rausfinden woher das Wort Niveau stammt und warum es so umständlich geschrieben wird.)
Ich bin müde. Dabei ist gerade mal Mittag und noch so viel zu tun. Leute anschreiben, zum Beispiel. Leute anschreiben und Stundungen beantragen. Währenddessen hör ich Moses. Der versteht mich. Morgen will ich mich nicht aufregen. Vielleicht krieg ich das sogar heute noch hin. Das wär schön. Ich bin müde.
Meine Wohnung hat 30 Quadratmeter. Höchstens. Ich steige aus dem Bett und lande am Schreibtisch. Dann ein stetiger Wechsel zwischen Küche (Kaffee) und Klo (kacken), und irgendwann wieder drei Schritte nach links ins Bett. Vor dieser ganzen Scheiße hier gab’s McFit. Das war gut. Das war wichtig. Hat mich davor bewahrt, irgendwem mein Leergut hinterherzuwerfen. Jetzt sind die Studios zu und mein Leergut nimmt sogar für meine Verhältnisse unangenehme Ausmaße an. Und ja ihr Klugscheißer, gibt Online Workouts für Zuhause, ich weiß, halt die Fresse, setz dich, Challenge. Das Ding bei dieser Onlinescheiße ist, dass die alle (ALLE!) so eine verfickt gute Laune haben, dass ich denen augenblicklich Glasscherben durchs Gesicht reiben will, um mal zu sehen, ob die dann immer noch so behindert grinsen und mit 20 Prozent Rabattcodes für minderwertige Supplements um sich werfen. (#julianziehtsnow)
In den Nachrichten haben sie gesagt, dass darüber nachgedacht wird, generell allen einen Mundschutz vorzuschreiben. Nicht um sich selbst, sondern um die anderen zu schützen. Ihr Spastis. Wo wart ihr denn, als ich in der Grundschule andauernd von diesem behinderten Wolfgang auf die Fresse gekriegt hab, hä? Meine Kindheit war ein verkacktes Martyrium, weil sich niemand einen Scheiß dafür interessiert hat, ob ich von dem dicken hässlichen Typen mitten im Einkaufszentrum zusammengewichst wurde. Und jetzt wollt ihr, dass ich Rücksicht auf irgendwen nehme, der nicht ich ist? Ich hab die Schnauze so voll von euch privilegierten Reihenhaus-Großgrundbesitzern, mit euren kindgerechten Gärten und den Trampolinen für die lieben kleinen, die ihr mir erzählen wollt, wie ich mich in meinen 30 Quadratmetern zu verhalten habe. Weil euch betrifft das ja nicht. Ihr könnt schön den ganzen Tag lang in der Sonne hocken, während ich demnächst in PG steck, weil ihr mich mal alle am Arsch lecken könnt mit euren Gesichtsmasken.
Ich hab Rückenschmerzen. Und Herpes hab ich auch. Wahrscheinlich vor Wut. Egal. Ich mach jetzt zu hier. Gibt nichts mehr zu sagen. Außer, dass ich von mir selber genervt bin. Gucken, was bei Sturm der Liebe los ist.
Corona Pandemie, #stayhomechallenge Tag, keine Ahnung. Fühlt sich alles gleich an. Wer das eine Challenge genannt hat, dem gehört der Arsch auf den Eisblock getackert. Wenn Kinder nerven macht man mit denen ne Challenge. Wer am längsten die Fresse hält, hat gewonnen. Sollte mal irgendwer mit den Erwachsenen machen. Die haben das noch nicht ganz verstanden. Vollidioten.
Es ist 20.00 Uhr und ich werd langsam wieder nüchtern. Heute ist rausgekommen, dass das Kind von Eva Saalfeld nicht von Robert ist, sondern doch von Christoph. Aber weil beide auch Saalfelds sind, ist das jetzt nicht so das Ding. Eva sieht das anders, die heult seit Tagen. Nonstop. Dabei liegen die wirklichen Probleme – die, wegen denen man ernsthaft heulen könnte – hier ausgebreitet vor mir auf dem Schreibtisch. Rechnungen, Rechnungen, Rechnungen. Ich denke darüber nach, ein Schreiben für alle aufzusetzen. Darin steht: „Schiebt euch eure Erwartungen so tief in den Arsch, dass selbst euer Proktologe sie nicht mehr wiederfindet. P.s. Dieser Schrieb wurde von einem Coronainfizierten angehustet. Ihr Fotzen.“ Sowas.
Je länger ich mit mir alleine bin, umso mehr fluche ich. Ich hab noch nicht raus, ob das daran liegt, dass ich die Welt hasse, oder doch mich. Wahrscheinlich die Welt. Oder eher die Menschen. Machen dir ein schlechtes Gewissen, wenn du ne Runde um den Block läufst, weil dir in deinem dunklen Hinterhofzimmer das Gemüt noch schwärzer wird als es sowieso schon ist. Und dann machen die das immer so subtil. Mit der Art von Blick, den die Alte aus der Büroküche so gut draufhat, wenn du deine Kaffeetasse nicht sofort wieder wegspülst. Wer bitte spült seine Kaffeetasse gleich wieder weg? Was muss das für ein armseliges Leben sein, wenn man alles immer sofort und auf der Stelle wegspült? Bei mir ist alles weggespült. Aber mein Leben ist grad auch armselig. Theorie bestätigt, könnt ich dissertieren. Zeit hätt ich. Aber Doktoren gibt’s grad schon genug. Jeder in diesem gottverdammten Land ist ein scheiß Arzt. So wie bei der WM plötzlich alle Fußballtrainer sind. „Der Löw, der muss jetzt –“ Halt die Fresse, setzt dich hin, wir machen ne Challenge. Und wenn dieser Shutdown vorbei ist, alles Fallobst verbuddelt ist und die Überlebenden wieder das machen, was sie am besten können: rumheulen wie scheiße alles ist, dann kommt der eigentliche Kraftakt für das Gesundheitssystem: das Behandeln der ganzen Korsakof-Syndrome. Fällt ja gerade noch nicht so auf, wenn den ganzen Tag irgendwelche Spacken auf ihren scheiß Balkonen stehen und klatschen. Das wie Michael J. Fox, der immer so hibbelig Dinge von einer Hand in die andere geworfen hat, dass man dachte: „Dicka, was los mit dir? Am Stromkabel gelutscht oder was?“, und dann kommt irgendwann raus, dass das ein Überspielen von Symptomen war; Parkinson.
Ich hoffe die hören bald wieder auf. Mit Klatschen, mit Bevormunden, mit allem. Das macht kein Spaß so. Noch weniger als ohnehin. Ich trink so lange einfach weiter.